Die Anfänge nach dem Krieg

Der folgende Beitrag ist meiner Fußballchronik entnommen. Er kam in dieser Form nur durch die Hilfe von Professor Jan Foitzik zustande, der mir einige Fakten per Email völlig unkompliziert zukommen lies. Dafür vielen Dank !

Mit dem Sieg der Alliierten über Deutschland 1945 beschlossen diese eine Auflösung der dem ehemaligen nationalsozialistischen Regime nahestehenden Vereine. Durch die vorherige Zentralisierung waren dies praktisch alle Vereine. Mit der Proklamation Nr. 2 vom 20. September 1945 wurden die Turn- und Sportvereine in Deutschland durch den Alliierten Kontrollrat aufgelöst. Erst mit der „Direktive Nr. 23 vom 17. Dezember 1945 über die Beschränkung und Entmilitarisierung des Sportwesens“ (Jan Foitzik folgend JF) wurden wieder lokale Sportorganisationen auf Kreisebene zugelassen. Während im „Westen“ faktisch eine Neugründung von Vereinen gemäß dem geltenden BGB auch in einer Rechtsnachfolge (es erfolgten leichte Veränderungen in den Namen der Vereine und eine Eintragung in die Vereinsregister an den zuständigen Gerichten) möglich war, ergab dies im „Osten“ ein Verwaltungschaos.
Die SMAD erließ offensichtlich bereits im Vorfeld der Proklamation Nr. 2 eigenmächtig Befehle zu einem Verbot von Sportorganisationen. Da diese Befehle selten dokumentiert oder nach der Erteilung wieder eingesammelt wurden, kann sich nur auf einen „Befehl Nr. 0153 des Chefs der Verwaltung der SMA des Landes Sachsen Dubrowski an die Militärkommandanten über das Verbot von Sportorganisationen. Dresden 15. September 1945“ gestützt werden. In diesem Befehl wird von „Sportorganisationen, die eine legale Form der Tarnung faschistischer Organisationen darstellen“ (JF) geschrieben. Er enthielt auszugsweise folgenden Wortlaut:

1. Die bestehenden Sportorganisationen sind aufzulösen.
2. Zu verbieten ist die Durchführung von Wettkämpfen aller Art wie Fußballspiele, Sportfeste usw.
3. Zu verbieten ist die Popularisierung des Sports durch die Presse.
4. Sportspiele sind in Verantwortung der örtlichen Selbstverwaltungen, unter strenger Kontrolle von Ihrer Seite (gemeint sind die Militärkommandanten Anm. d. Verf.) durchzuführen.

Da allerdings weiterhin Deutsches Recht galt, hätte eine Löschung b.z.w. Neueintragung in den Vereinsregistern erfolgen müssen. Die Sowjets verzettelten sich anscheinend im Verwaltungschaos und erachteten eine Verkündung des Befehls, in Unkenntnis über das deutsche Vereinswesen, als ausreichend. Es wurden offensichtlich manche Vereine aus den Registern ausgetragen, ein Großteil aber nicht. 1950 wurde in der neu gegründeten DDR festgestellt, daß etwa 5000 „Vereine“ existierten, obwohl nur etwas mehr als 1000 zugelassen wurden. Dies ist darauf zurück zu führen, daß die Vereinsregister bei den Amtsgerichten geführt wurden, Neuzulassungen aber nach neuem Recht die Innenministerien (Polizei) erteilten. (JF)
Um dennoch sportliche Aktivitäten zu ermöglichen, wurden unter der Leitung der Freien Deutschen Jugend (FDJ) oder unter Trägerschaft der Kommunen Sportgruppen gegründet, die vorerst nur auf Kreisebene agieren durften, wie es die Direktive Nr. 23 des Alliierten Kontrollrates vom Dezember 1945 für ganz Deutschland gebot. Es handelt sich somit nicht wie oft verlautet, bei dem Verbot der deutschen Sportvereine nach dem Krieg, um reine Willkür oder Laune der sowjetischen Besatzungsmacht, sondern um ein abgesprochenes gemeinschaftliches Vorgehen der Alliierten im Nachkriegsdeutschland.
Über eine Organisation des Sportwesens in der sowjetisch besetzten Zone gab es lange Zeit offene Fragen. Dazu ein längeres Zitat von Jan Foitzik „ Am 25. Oktober 1948 wurden in der Trägerschaft des FDGB und der FDJ „gemeinsame Sportausschüsse“ gebildet, die unter Kontrolle der Innenministerien „auf Produktionsbasis“, also in den Betrieben, die organisatorische Grundlage der „erneuerten deutschen Sportbewegung“ darstellten. Hier wurde auf die unmittelbare „Verstaatlichung“ zugunsten der Volksbildungsverwaltung verzichtet, obwohl ihr Pieck (Vorsitzender der Kommunistischen Partei Deutschlands) und Grotewohl (geschäftsführender Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands) ursprünglich den Vorzug gegeben hatten. Nach Auffassung der SMAD und des ZK der WKP(B) hätte diese Organisationsform aber eine zu große Parteinähe bedeutet. Mit Suslow's (Leiter der Abteilung Außenbeziehungen des ZK der WKP(B)) Kompromißvorschlag schlug man dann gleich zwei Fliegen tot: Die damals für erforderlich gehaltene Verstärkung der SED durch die Sportbewegung wurde aber nicht unmittelbar, sondern mittelbar auf dem Umweg über die FDJ erzielt. So konnte am 1. Oktober 1948 in Berlin der Deutsche Sportausschuss gebildet werden.“
Mit einer Verordnung der deutschen Verwaltungen für Inneres und für Volksbildung vom 12. Januar 1949 wurden in der Folge „alle Volkskunstgruppen, Volksbildungsvereine und Massensportvereine mit Wirkung vom 1. Jan. 1949 in die Massenorganisationen FDGB, FDJ, Kulturbund, Bund Deutscher Volksbühnen, Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjetunion, DFD sowie in die Sportgemeinschaft des Deutschen Sportausschusses überführt.“ (JF)
Erst jetzt war auch wieder der Weg, in den unter sowjetischer Verwaltung stehenden Ostgebieten, frei für rechtsgesicherte „Vereinsgründungen“, die nach geltendem BGB allerdings keine Vereine als solche waren. Das BGB selbst wurde im Laufe der Zeit in der DDR durch neue Gesetzbücher (Zivilgesetzbuch, Familiengesetzbuch u.s.w.) ersetzt und Mitte der 70-er Jahre ganz abgeschafft. Der Deutsche Sportausschuss erließ auch nur Spielgenehmigungen zum Spielbetrieb ausschließlich für die neu gegründeten Betriebssportgruppen b.z.w. -gemeinschaften.
Somit steht für mich fest, daß ein Bezug heutiger Vereine zu Vorkriegsvereinen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR auszuschließen ist. Dazu trägt auch bei, daß die neuen Sportgemeinschaften keine Rechtsnachfolge der Vorkriegsvereine weder antreten konnten noch durften. Moralisch mag eine Verbindung existieren, auch über Mitglieder und genutzte Sportobjekte, aber rechtlich ist sie ausgeschlossen. Auch die mehrfach geäußerte Gründung einer Sportgruppe auf einen Befehl eines russischen Militärkommandanten hin, erscheint danach in einem anderen Licht. Vielleicht empfanden es die damals beauftragten Personen so. Wahrscheinlicher ist, daß sie einen Auftrag zur Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens auf Grund einer eigenen Mitgliedschaft in einer kommunistischen Massenorganisation bekamen. Befehlserteilungen zu Vereinsgründungen sind aber nach meinen Recherchen nicht erfolgt. Dies würde auch den hier benannten Proklamationen, Direktiven und Befehlen widersprechen.

Fußballchronik Dirk Sill (2013)


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